Interviews

Frank Marrenbach

Geboren am 28. November 1966 in Opladen, aufgewachsen in Ratingen bei Düsseldorf.

Nach einer internationalen Laufbahn – noch nicht dreißigjährig – 1994 Stellvertretender Direktor im Gästehaus Petersberg in Königswinter.

1997 in entsprechender Mission nach Baden-Baden.

Geschäftsführender Direktor von Brenners Park-Hotel & Spa seit Oktober 2000.

Berufsbegleitender MBA an der State University of New York at Albany mit Abschluß in 2003.

2005 Berufung in das Executive Committee der The Leading Hotels of the World.

Stellvertretender Vorsitzender bis Ende 2016.

Seit 2008 CEO der Oetker Collection mit Sitz in Baden-Baden.

Branchen-Award Hotelier des Jahres 2016.

Interview

Welche Werte haben für Sie besondere Bedeutung und warum?

Respekt und Vertrauen, diese beiden Werte stelle ich über alles. Ein respektvoller Umgang ist entscheidend, um gerade bei kontroversen Themen miteinander im Gespräch zu bleiben. Generell werden Werte dann besonders wichtig, wenn die Situation schwierig ist. Solange alles läuft, die Umsätze gut sind und die Mitarbeiter zufrieden, steht die Wertediskussion oft nicht so im Mittelpunkt.

Was aber ein nicht respektvoller Umgang zwischen Menschen auslöst, zeigt ein Blick auf die derzeitige politische Lage in der Türkei und in den Vereinigten Staaten. Daher halte ich es für sehr wichtig, wie höchste Vertreter unserer Gesellschaft miteinander umgehen. Das Fehlen von Respekt führt zwangsläufig zu Auseinandersetzungen und zu einem Verlust an Interesse, mit einem anderen Menschen im Gespräch zu bleiben. Und was auf einer großen internationalen Ebene relevant ist, funktioniert auch in einem Unternehmen.

Vertrauen und Respekt bedingen einander. Das eine kann nicht ohne das andere funktionieren, und wir können als Menschen ohne diese beiden Werte nicht vernünftig miteinander umgehen.

Mit welchen Werten kann ein Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt agieren? Bringt Wertschöpfung auch Wertschätzung?

Das ist fast eine rhetorische Frage. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Langfristigkeit. Natürlich kann ich mich kurzfristig über alle Werte hinwegsetzen und ausschließlich an der Gewinnmaximierung ausrichten. Aber wir sind ja nicht für ein paar Monate engagiert. Als Hotelier bin ich in einem langfristigen Geschäft, das betrifft sowohl Verträge als auch Partnerschaften und die Beziehung zum Kunden. Quartalsdenken gibt es bei uns nicht.

Die Wertschätzung spielt dabei eine große Rolle. Als Dienstleister kommt es für mich darauf an, mich positiv von Wettbewerbern zu unterscheiden. Das heißt, ich setze alles daran, auf der Mitarbeiterebene zu brillieren. Ein Mitarbeiter kann aber nur dann einen positiven und nachhaltigen Eindruck auf die Gäste machen, wenn er selbst Wertschätzung erfährt und sich dem Unternehmen verbunden fühlt. Wertschätzung ist also eine zentrale Komponente unseres Erfolgs.

Für unsere Mitarbeiter muss der Arbeitsplatz mehr sein als die Stätte des Broterwerbs. Er sollte ein geistiges Zuhause sein, im Sinne der Zugehörigkeit. Zugehörigkeit entsteht, wenn ich mich als Teil einer Wertegemeinschaft verstehe. Daher muss ein Unternehmen auch kommunizieren, für welche Werte es steht und diese leben. Dann entsteht Wertschöpfung.

Ich will ein kurzes Beispiel anführen: Der Barchef im Brenners Parkhotel ist seit fünfzehn Jahren im Haus, kennt die Gäste und weiß, was sie möchten. Solche Bindungen entstehen nur, wenn Mitarbeiter auch langfristig bleiben. In unserer Branche ist also Wertschätzung sehr wichtig.

Die Digitalisierung schreitet voran. Brauchen wir neue Werte in unserer neuen digitalen Welt, die gerade mit einer unglaublichen Schnelligkeit unser aller Leben verändert?

Werte definieren das menschliche Miteinander und keine Befähigung. Daher glaube ich nicht, dass sich die Werte im Zuge der digitalen Revolution verändern müssen, sondern unsere Fähigkeiten. Wir müssen uns in der digitalen Welt neu ausrichten und dazulernen.

In unserem Unternehmen gibt es sieben zentrale Werte: die Familie, weil wir uns als Gemeinschaft verstehen, Authentizität, Vertrauenswürdigkeit, Freude, Feinsinnigkeit, Bescheidenheit und Kreativität. Diese Werte sehe ich im Zuge der Digitalisierung nicht nur nicht hinterfragt, sondern halte sie sogar für wichtiger denn je. Denn wie wollen wir sonst mit diesem ungeheuren Wandel, der hohen Geschwindigkeit und Transparenz zurechtkommen, wenn wir kein Wertegerüst haben, das uns Halt und Zuversicht gibt? Werte müssen den Wandel begleiten, sonst sind die Menschen in einer total entsozialisierten Gesellschaft vollkommen verloren.

Die Digitalisierung bringt Chancen, aber auch viele Herausforderungen mit sich. Das ist nicht nur angenehm. Daher dürfen wir aus meiner Sicht die Digitalisierung nicht nur einfach unkritisch umarmen, sondern müssen uns fragen, was sie für unsere Mitarbeiter und uns alle bedeutet.

Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Digitalisierung ist mir eine junge Dame in Erinnerung geblieben. Sie saß im Publikum und wandte sich in der Fragerunde mit der Aussage an den Moderator: Ich bin zwar ein „digital native“, habe mich aber in dem, worüber sie gesprochen haben, nicht wiedergefunden. Wenn es um meine Wünsche und Vorstellungen geht, unterscheide ich mich gar nicht so sehr von meinem Vater. Ich möchte gut und fair behandelt werden, erwarte Transparenz und möchte als junge Frau gute berufliche Chancen haben. Wir kommunizieren vielleicht anders, aber die Werte sind ähnlich.

Werteerziehung gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Mit welchen Wertvorstellungen gehen junge Menschen heute ins Leben, und sind diese Wertvorstellungen zukunftsfähig?

In unserer Branche arbeiten viele junge Menschen. Ich beobachte seit einigen Jahren, dass der Respekt vor Hierarchien bei der jüngeren Generation abnimmt und das ist gut so. Es wird eine flexiblere Form von Führung eingefordert. Die „Pyramide“ mit dem Chef an der Spitze und den Untergebenen darunter ist in dieser Starrheit nicht mehr zukunftsfähig. Führung hat heute nur noch die Anmutung von Führung, ist nahbarer und findet auf Augenhöhe statt. Den Herrn Direktor aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gibt es in der Form nicht mehr. Ich mache daher gerne ein Gedankenexperiment und frage mich: Würde ich von meinen Mitarbeitern zum Anführer gewählt werden und wenn ja, warum? Das ist für mich ein wichtiger Maßstab.

Die entscheidende Frage bei dem Thema Werteerziehung ist aus meiner Sicht, ob Werte nicht nur kommuniziert, sondern auch gelebt werden. Wir alle wissen, dass nur die Inhalte in uns lebendig bleiben, die wiederholt und immer wieder thematisiert werden. In unserem Unternehmen gibt es daher ein sogenanntes „daily commitment“, also ein Tagesbekenntnis, über das alle 2500 Mitarbeiter an diesem Tag diskutieren. Heute ging es zum Beispiel um den Wert „Feinfühligkeit“. Dabei predigen nicht die Vorgesetzten über das Thema, sondern ein Mitarbeiter bereitet sich darauf vor, und erklärt seinen Kollegen, wie er es versteht und wie er es im Unternehmen umgesetzt sieht. Wir müssen alle immer wieder auf bestimmte Themen schauen und unsere eigene Einstellung dazu überprüfen. Diese Selbstreflektion ist wichtig. Was man nicht wiederholt und teilt, das vergeht. Dieser Weg, das Thema zum Thema zu machen, hat sich bewährt und trägt zu unserem Erfolg bei.

Am Ende macht die Unternehmenskultur den Unterschied. Daher sollte es für diesen Posten eigentlich in der Bilanz einen eigenen Anlagenamen geben, auch wenn kein quantifizierbarer Wert dafür steht. Das Tückische ist, dass eine wankende Unternehmenskultur anfangs nicht an den Zahlen zu erkennen ist. Aber wenn die Kultur erst einmal Schaden genommen hat, fällt es dem Management schwer, das Thema wieder in den Griff zu bekommen. Spätestens dann ist es auch an der sich nachteilig verändernden Bilanz zu erkennen.

Korruption, Ränkeschmiede, Vetternwirtschaft: Ein Blick auf die globalisierte Welt stärkt nicht gerade das Vertrauen in funktionierende Wertesysteme. Wie können wir in unserer alles andere als perfekten Welt Werte erfolgreich leben?

Zunächst müssen wir alle anerkennen, dass wir in einer imperfekten Welt leben, wobei Deutschland sicherlich noch zu den am wenigsten imperfekten Ländern gehört, die ich kenne. Die Frage ist allerdings, berechtigt dieses Wissen dazu, das gesamte System in Frage zu stellen? Sicherlich ist die Demokratie nicht perfekt, aber wollen wir deshalb die Demokratie abschaffen? Wollen wir soziale Marktwirtschaft oder die Freiheit von Unternehmen einschränken, nur weil manche das System ausnutzen oder sich falsch verhalten? Freiheit ist wichtig, weil sie die Köpfe der Menschen öffnet und Dinge ausprobieren lässt. Natürlich gibt es auf diesem Weg auch Fehlentscheidungen und Rückschläge. Es wird immer jemanden geben, der korrumpierbar ist, der betrügt oder eine kriminelle Handlung begeht. Das ist nicht zu vermeiden.

Kritisch wird es vor allem dann, wenn Vertreter mit einer besonderen Vorbildfunktion sich falsch verhalten, weil dann das gesamte System in Frage gestellt wird. In so einem Fall spielen die Sanktionen eine wichtige Rolle. Wenn die Gesellschaft den Eindruck hat, dass es eine Ungleichbehandlung gibt und der Topmanager trotz Verfehlungen noch hoch abgefunden wird, während der Angestellte seinen Job verliert, ist das nicht akzeptabel.

Wirtschaft, Politik und Gesellschaft können wir nicht trennen. Es ist alles ein Universum und bedingt sich auch gegenseitig. „Die da oben“ -Gedanken führen dazu, dass frustrierte Menschen ihr Kreuzchen bei der Wahl ganz weit rechts oder links außen machen. Wir Deutsche blicken auf einen Teil unserer Geschichte zurück, in dem sich das in extremster Form manifestiert hat. Das ist nicht gut.

Welche Persönlichkeit des öffentlichen Lebens hat für Sie wirklich Vorbildfunktion und wenn ja, warum?

Bundespräsident a. D. Joachim Gauck hat für mich so eine Vorbildfunktion. Er ist hochgradig authentisch. Scheut keine Konfrontation, geht aber immer respektvoll mit allen Menschen um. Gauck nennt das Kind beim Namen und er kann Emotionen zeigen, wodurch er die Menschen mitnimmt. Seine Vita macht ihn glaubwürdig und die Art, wie er agiert, überzeugt. In diesem Zusammenhang möchte ich das lesenswerte Buch „Manieren“ von dem Prinzen Asfa-Wossen Asserate erwähnen. In einem Kapitel geht es um das Thema Vulgarität. Asserate sagt hierzu: „Vulgarität war vor hundert Jahren die Abwesenheit von Tischmanieren. Heute da wir wissen, wie wir mit Messer und Gabel essen, ist die eigentliche Vulgarität, dem Publikum Dinge zu sagen, von denen man glaubt, dass es sie hören will, die man aber nicht meint.“

Besser lässt es sich wohl kaum ausdrücken und gerade deshalb sind Vorbilder wie Joachim Gauck für unsere Gesellschaft so wichtig.

Das Interview führte Christiane Harriehausen – Wirtschaftsjournalistin.