Interviews

Friedrich von Metzler trat 1969 in die Bank ein und ist seit 1971 persönlich haftender Gesellschafter des Frankfurter Bankhauses B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA, der ältesten deutschen Privatbank im ununterbrochenen Familienbesitz. Das Haus Metzler konzentriert sich bewusst auf individuelle Dienstleistungen für Firmen, Institutionen und anspruchsvolle Privatkunden in den Kerngeschäftsfeldern Asset Management, Capital Markets, Corporate Finance und Private Banking. Friedrich von Metzler bringt auf der Basis seiner hervorragenden Kontakte zu wichtigen Entscheidern in Wirtschaft und Politik Gesprächs- und Geschäftspartner zusammen, baut neue Beziehungen auf und festigt bestehende – nicht nur zum Nutzen der Bank, sondern auch für wichtige gesellschaftliche und kulturelle Projekte. Er ist engagierter Förderer des Finanzplatzes Frankfurt am Main. Beispielsweise war Friedrich von Metzler maßgeblich an der Umwandlung der Frankfurter Wertpapierbörse in die Deutsche Börse AG beteiligt. Soziale Verantwortung prägt sein Handeln: So gründete er 1998 die Albert und Barbara von Metzler-Stiftung, die vorrangig Projekte für Kinder und Jugendliche fördert. Die Zukunftsinitiative „d.eu.tsch“ etwa eröffnete zwischen 2012 und 2018 jungen arbeitssuchenden Europäern neue Berufschancen in Deutschland; und die „Anlaufstelle für straffällig gewordene Frauen“ hilft aus der Haft entlassenen Frauen und ihren Kindern, sich ein neues Leben aufzubauen. Auch kulturell ist Friedrich von Metzler engagiert, zum Beispiel initiierte er 1999 die Kulturoffensive „1 + 1 = 3“ mit der Projekte im Wert von knapp 7 Mio. DM in zehn Frankfurter Museen ermöglicht wurden. Zudem hat er die Entwicklung einer Reihe von Institutionen mit geprägt und gefördert, darunter die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, das Städel Museum, Freie Deutsche Hochstift (Romantik-Museum), die Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die Dr. Senckenbergische Stiftung und den Kunstgewerbeverein (Museum Angewandte Kunst inklusive Historischer Villa Metzler). Friedrich von Metzler absolvierte in den 1960er-Jahren seine Ausbildung überwiegend bei Investment- und Kreditbanken in Großbritannien, den USA und Frankreich.

Interview

Welche Werte haben für Sie besondere Bedeutung und warum?

Unsere drei Unternehmenswerte sind Unabhängigkeit, Unternehmergeist und Menschlichkeit. Diese Werte können aber nur gelebte Praxis werden, wenn alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie mittragen.

Unabhängigkeit bedeutet Freiheit – in der Meinungsbildung und deren Kommunikation, beim Gestalten unserer Strategie und in der Beratung unserer Kunden.

Unternehmergeist heißt für uns: bewahren durch verändern. Auch hier sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheidend. Sie geben die Anstöße für Veränderungen, und sie sind bereit, in neue Aufgaben hineinzuwachsen und damit den unternehmerischen Erfolg von Metzler mitzugestalten.

Deshalb wird auch der Wert Menschlichkeit bei uns großgeschrieben: weil wir anerkennen, dass der Mensch individuell ist. Der unternehmerische Erfolg von Metzler wird maßgeblich von den Menschen gestaltet, die im Unternehmen arbeiten und sich mit ihrem unterschiedlichen Wissen, ihren Ideen und ihren ganz persönlichen Fähigkeiten engagieren.

Mit welchen Werten kann ein Unternehmen langfristig erfolgreich am Markt agieren? Bringt Wertschätzung auch Wertschöpfung?

Werte zu haben und nach außen zu transportieren ist wichtig, unerlässlich aber ist, dass man diesen Werten auch gerecht wird. Denn wenn Werte nicht glaubwürdig gelebt werden, kann ein Unternehmen nicht erfolgreich sein. Unsere Kunden müssen darauf vertrauen können, dass unsere Unternehmenswerte nicht nur ein Lippenbekenntnis sind. Das ist der Grundstock unseres Geschäfts. Wir sagen immer: An den Finanz- und Kapitalmärkten ist Vertrauen die wichtigste Währung. Denn wer eine Finanzdienstleistung kauft, gibt dem Verkäufer ja einen großen Vertrauensvorschuss. Um Vertrauen aufzubauen, kann es Jahre dauern. Und ist das Vertrauen zerstört, lässt es sich nur sehr schwer wieder herstellen. Vertrauen kann nur durch die konstante Erfahrung entstehen, dass bestimmte Erwartungen erfüllt und Regeln freiwillig eingehalten werden.

Wir wissen, wie wichtig es ist, dass die Kunden unsere Leistungen wertschätzen – nur so kann ein Unternehmen langfristig Erfolg haben. Die Doppeldeutigkeit des Wortes „Wertschöpfung“ gefällt mir sehr gut: Durch das Einhalten unserer Werte gewinnen und halten wir Kunden und bleiben so erfolgreiche Unternehmer. Darüber hinaus bemühen wir uns ständig, uns weiterzuentwickeln, um durch neue Produkte und Dienstleistungen neue Werte zu schöpfen, beispielsweise im Pension Management im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Doch müssen wir in diesem Prozess stets hinterfragen, ob neu geschöpfte Werte mit unseren Prinzipien übereinstimmen.

Die Digitalisierung schreitet voran. Brauchen wir neue Werte in unserer neuen digitalen Welt, die gerade mit einer unglaublichen Schnelligkeit unser aller Leben verändert?

Werte für eine neue Welt finde ich ganz wichtig, denn schließlich muss vieles neu gedacht werden. Das heißt aber nicht, dass die Werte, die bisher wichtig waren, nun ausgedient haben. Zum Beispiel ist uns beim Bankhaus Metzler der Wert „Unabhängigkeit“ weiterhin sehr wichtig, wurde aber auch neu gedacht: Wir möchten nicht komplett abhängig sein von den neuen Möglichkeiten der Digitalisierung, sondern sie nach unserem Ermessen nutzen. Ein Robo-Berater, der die Vermögensberatung von Kunden vollständig automatisieren würde, kommt für uns nicht infrage. Im Bereich „Absolute Return und Wertsicherung“ im Asset Management greifen wir jedoch schon seit langem auf die Möglichkeiten der Digitalisierung zurück und nutzen regelgebundene Systeme, die unabhängig von der Marktmeinung prognosefreie Allokationen umsetzen. Mit Blick auf die vielen Möglichkeiten der Digitalisierung sollten wir uns immer die Frage stellen, was für den Kunden wichtig ist.

Werteerziehung gehört zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Mit welchen Wertvorstellungen gehen junge Menschen heute ins Leben, und sind diese Wertvorstellungen zukunftsfähig?

Mit der Digitalisierung ändern sich auch die Werte junger Menschen. Gerade die Generation, die nach 1995 geboren ist, führt einen großen Teil ihres Lebens online – das zeigt unter anderem der Wissenschaftler Michael Haller. Somit ist alles viel schnelllebiger. Junge Menschen haben folglich auch andere Werte, das ist ganz normal. Beispielsweise ist es ihnen nicht mehr so wichtig wie der Vorgängergeneration, sich vor allem im Beruf selbst zu verwirklichen. Ihnen ist es mindestens ebenso wichtig, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen – erstaunlich, weil doch die Grenzen zwischen Online- und Offline-Leben fließend sind. Jugendlichen sind aber auch die Werte Gemeinschaft, Familie, Sicherheit und Wohlstand wichtig. Diese Werte der jungen Generation – also den Beruf und andere Lebensziele unter einen großen Hut zu bringen – halte ich für überaus zukunftsfähig.

Korruption, Ränkeschmiede, Vetternwirtschaft: Ein Blick auf die globalisierte Welt stärkt nicht gerade das Vertrauen in funktionierende Wertesysteme. Wie können wir in unserer alles andere als perfekten Welt Werte erfolgreich leben?

Ein kurzfristig ausgerichtetes Verhalten von Entscheidern, die für die Ergebnisse ihres Handelns nicht einstehen müssen, kann unser Wirtschaftssystem grundlegend infrage stellen. Wir gehen aber davon aus, dass viele Unternehmer verstanden haben, wie wichtig es für einen nachhaltigen Geschäftserfolg ist, sich strikt an transparenten Grundsätzen der Unternehmensführung zu orientieren.

Familienunternehmer haben schon immer anders gedacht: Ihnen war und ist der langfristige Erfolg wichtig, um den Nachfolgern eine gesunde Firma übergeben zu können. Sehr oft fühlt sich ein Familienunternehmen auch verantwortlich für das lokale Umfeld der Firma und engagiert sich gesellschaftlich. Durchaus auch aus Eigennutz. Wenn wir uns zum Beispiel für das Städel Museum engagieren, tragen wir dazu bei, dass Frankfurt eine attraktive Stadt bleibt – auch für unsere Mitarbeiter. Gemeinnütziges unternehmerisches Engagement ist nicht nur altruistisch – oft resultiert daraus ein Gewinn für alle.

Welche Persönlichkeit des öffentlichen Lebens hat für Sie wirklich Vorbildfunktion und warum?

Ein großes Vorbild ist für mich mein Vater, Albert von Metzler. Er hat die Bank mit vorausschauendem Handeln und Mut zur Aktienanlage durch die Katastrophen des letzten Jahrhunderts geführt. Für ihn war dabei immer die Frage wichtig, ob wir für die Zukunft noch richtig aufgestellt sind – davon hat er sich auch vom Tagesgeschäft nicht abhalten lassen. Mit diesem Credo meines Vaters bin ich aufgewachsen. Gerne hat er sich beispielsweise mit jungen Leuten umgeben, auf deren Meinung er großen Wert legte. Ihm war egal, woher eine gute Idee stammte – ob von einem bedeutenden Bankier oder von einem jungen Mitarbeiter. Die Einstellung meines Vaters lebt noch heute im Bankhaus fort.

Mein Vater hat aber nicht nur auf das Bankgeschäft großen Einfluss genommen. Neben seiner Tätigkeit als Unternehmer war er Mitglied im Verwaltungsrat des „Freien Deutschen Hochstifts“, wirkte in der Administration der Senckenbergischen Stiftung mit und war nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend am Wiederaufbau des Städel Museums beteiligt. Das Engagement für die Stadt Frankfurt gehört zur Tradition unseres Bankhauses, und ich bin stolz, dass es uns gelingt, diese Tradition weiterzuführen. Der Blick über den Tellerrand ist für uns ganz wichtig: Als Wirtschaftsunternehmen sind wir nur ein Teil der Gesellschaft. Wir leben mit ihr und von ihr. Wir können es uns nicht leisten, den Blick vom Gesamtbild abzuwenden und nur angenehme und bekannte Dinge wahrzunehmen. Dies beschneidet unsere Erkenntnisfähigkeit und letztendlich die Fähigkeit, unternehmerisch richtig zu handeln.

 

Dieses Interview führte die Journalistin Christiane Harriehausen.